Dorfläden lehnen sich gegen die Post auf
Um Geld zu sparen, lagert der Bundesbetrieb Filialen aus - nun werfen
ihm Agenturbetreiber vor, zu geringe Entschädigungen zu zahlen
DAVID VONPLON
Der Umbau des Poststellennetzes schreitet voran. Landauf, landab werden Postfilialen geschlossen und in Dorfläden, Apotheken oder Bäckereien ausgelagert. 1200 solcher Postagenturen gibt
es mittlerweile - deutlich mehr als klassische Poststellen. Auch in Bronschhofen bei Wil schloss die Postfiliale ihre Schalter am 30. November des letzten Jahres. Stattdessen stellt nun die örtliche Bäckerei im Dorf die postalische Basisversorgung sicher.
Viel Aufwand, wenig Ertrag
Die ausgelagerten Postdienstleistungen werden von Bevölkerung und Gewerbe rege benutzt - Privatkunden machen Einzahlungen, KMU geben in Rollbehältern ihre Paketsendungen auf. Bäckerei-Inhaber Josef Neff freut sich über die zusätzliche Laufkundschaft. Trotzdem ergeben
sich in der Zusammenarbeit mit der Post Probleme. Neff sagt: «Das Postgeschäft verursacht einen enormen zusätzlichen Aufwand. Die Vergütungen der Post decken unsere Kosten für die Dienstleistungen des Service public nicht annähernd.» Der Unternehmer, der einen Betrieb
mit sieben Bäckereifilialen und einer Backstube führt, fühlt sich vom gelben Riesen hinters Licht geführt. Die Post erklärt ihm im Vorfeld, dass das Agenturmodell grösstenteils auf Selbstbedienung
beruhe. Es würden kaum zusätzliche Arbeiten für das Personal anfallen. Neff entscheidet sich für eine Zusammenarbeit, baut die Bäckerei um, schafft zusätzlichen Lagerraum und Parkplätze,
weil die Post dies vorschreibt. Kurz vor der Eröffnung erklärt die Post, dass die Kunden nun doch bedient werden müssten. Grund ist ein Strategiewechsel: Bis 2024 will der Bundesbetrieb sämtliche
«Filialen mit Partner» umrüsten - neben einer neuen Bedientheke wird auch ein neues Vergütungssystem eingeführt. Neff bleibt positiv. Er geht die im Vertrag festgelegten Entschädigungen durch - und kommt zum Schluss, dass die Rechnung aufgehen kann. Weil das neue Agenturmodell aufwendiger ist, stockt er den Personalbestand um anderthalb Stellen auf. Im Februar erhält er ein Informationsschreiben der Post. Um Missverständnissen vorzubeugen, halte man fest, dass die fixen Vergütungen über 3600 Franken nicht pro Monat ausbezahlt würden,
sondern pro Jahr. Man entschuldige sich für allfällige «Unsicherheiten». Neff fällt aus allen Wolken. «Für mich war klar, dass die fixen Vergütungen monatlich anfallen. Da die Entschädigungen für die meisten postalischen Dienstleistungen im Rappenbereich liegen, kann man so keine Agentur kostendeckend betreiben.» Er schaut im Vertrag nach. Es fehlt ein Hinweis, ob die fixierten Vergütungen monatlich vorgesehen sind - oder jährlich. Mit sich reden lässt die
Post zu diesem Zeitpunkt nicht. Es stehe ihm frei, die Agentur wieder zu schliessen, lässt die Post ihn wissen. Reden so Partner miteinander? Das fragt sich der gebürtige Appenzeller. Jetzt wieder auszusteigen, kommt für ihn nicht infrage. Die Rechnung geht nicht auf Auch andernorts ärgert man sich über das Vorgehen der Post. «Bei uns sind in den vergangenen Monaten Beschwerden
von Mitgliedern eingegangen», sagt Felix Bischofberger, Geschäftsführer des Verbands
der Postagenturen. Es sei Agenturbetreibern klar, dass die Entschädigung nicht einer klassischen Poststelle entsprechen könne, aber man fordere eine faire Vergütung. Auch Postagenturen, die den
Service-public-Auftrag mit beschränkten Umsatzmöglichkeiten erbrächten, sollten auf ihre Rechnung kommen. Bei der Post versteht man die Aufregung nicht. Drei Vertreter vom Postagenturverband seien bei der Erarbeitung des neuen Vergütungsmodells für «Filialen mit Partner» dabei gewesen, hält Sprecher Erich Goetschi auf Anfrage fest. Doch laut Bischofberger ist
das nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich hätten die Agenturen anfangs mitreden können. Die fixen Vergütungen hätte die Post dann jedoch in Eigenregie festgesetzt. «Wir waren von Beginn weg der
Ansicht, dass diese deutlich zu tief bemessen sind», sagt Bischofberger. Man habe dies der Post so auch mitgeteilt. Beim gelben Riesen sieht man trotzdem keinen Handlungsbedarf. «Das neue
Vergütungsmodell entschädigt die Partner nach ihrem effektiven Aufwand», sagt Goetschi. Der fixe Vergütungsanteil werde zwar kleiner, aber dafür zahle die Post jede Leistung, die erbracht werde.
Auf Zuspruch stösst diese Argumentation beim Detailhändler Volg, der schweizweit 370 Agenturen betreibt. «Die Zusammenarbeit mit der Post bewährt sich», sagt eine Sprecherin. Die frequenz- und
umsatzabhängige Entschädigung decke in der Regel die anfallenden Kosten. Für viele kleine Agenturen geht die Rechnung jedoch nicht auf. Neffs Interventionen bei der Post bleiben lange Zeit
erfolglos. An den Vergütungen werde nicht gerüttelt, heisst es immer wieder. Er gibt aber nicht auf und entdeckt, dass er von den 25 Rappen Vergütung, welche er für jeden Bezug von Bargeld durch Kunden erhält, 23 Rappen wieder in Form von Gebühren abführen muss. Und er findet
heraus, dass die Post für «Sonderleistungen » eine weitere Entschädigungsart
namens «Zusatzbetrag 2» vorsieht. Nur wurde er darüber nie in Kenntnis gesetzt.
Als Neff die Post im Mai mit seinen Recherchen konfrontiert, zeigt sich der Bundesbetrieb plötzlich gesprächsbereit. Man sei bereit, die fixen Vergütungen zu verdoppeln, heisst es jetzt. «Ohne Druck
von uns wäre diese Zusatzentschädigung nie auf den Tisch gekommen», ist Neff sicher. Wahrscheinlich habe man diese nur den Grossverteilern angeboten, vermutet er. Bei den Kleinen habe man wohl gedacht, die würden es nicht merken. Postsprecher Goetschi bestreitet dies.
Er betont, dass der «Zusatzbetrag für Sonderleistungen» nicht allen Agenturen gewährte werde. Ausserdem werde der Zusatzbetrag auf der Website der Post unter der Rubrik «Filiale mit Partner»
aufgeführt. Der Postagenturverband hält derweil fest, dass die Post die Existenz der zusätzlichen Vergütung erst letzte Wochen auf der Website publiziert hat, nachdem man intervenierte.
Auf das Angebot der Post, die fixen Vergütungen zu verdoppeln, ist Neff bis jetzt nicht eingegangen. Auch so lasse sich das Postgeschäft nicht wirtschaftlich betreiben, sagt er. Bis diese Voraussetzung
erfüllt sei, werde er nicht aufgeben.
Kommentar schreiben